Meilensteine der Strom- und Datenkabelnetze
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es erste Experimente zur Übermittlung von Informationen über elektrische Drähte und Leitungen. Erstmals gelang es dem britischen Forscher Charles Wheatstone, Strom mit Hilfe von Metalldrähten über große Entfernungen zu übertragen. Der deutsche Carl August von Steinheit erfand 1836 den schreibenden Telegrafen. Den Durchbruch schafft die Telegraphie jedoch erst, als der amerikanische Maler Samuel Morse 1837 die Technik verfeinert und die Codierung systematisiert.
Guttapercha als Isolationsmaterial
Kabel als Nervensystem der Industrialisierung
Mitte des 19. Jahrhunderts sind weltweit schon mehrere zehntausend Kilometer Telegraphenleitungen oberirdisch verlegt. Dabei müssen jedoch große Nachteile wie mutwillige Beschädigung, Diebstahl usw. in Kauf genommen werden. Eine unterirdische Verlegung scheiterte zu dieser Zeit am Fehlen eines Isoliermaterials, das dem feuchten Erdreich auf Dauer gewachsen war. Dies ändert sich erst, als im Jahr 1842 ein Engländer ein Baumharz mit dem Namen Guttapercha aus dem Dschungel Malaysias über Singapur nach London bringt. Der Wissenschaftler Faraday erkannte die Eignung des klebrigen Pflanzensaftes als Isolierstoff, da es wasserundurchlässig, säurebeständig und ein sehr schlechter elektrischer Leiter ist. Erste Versuche zur Isolierung von Kabeln unternimmt der englische Ingenieur Walker, jedoch erst Werner von Siemens ermöglicht die industrielle Verarbeitung des Guttaperchas in der Kabelproduktion. Er bekommt 1846 eine Probe des Baumharzes von seinem Bruder Wilhelm aus London und beginnt mit ersten Experimenten. Nach endlosen Versuchen fand Siemens heraus, dass es sich bei 60°C leicht in Form gießen lässt und zwischen 0 und 25° C zäh, biegsam und elastisch bleibt. Versuche das Guttapercha mit Walzen um das Kabel anzubringen scheitern, da die Walznaht sich nach kurzer Zeit immer wieder löst. Der Durchbruch gelingt dann im Jahr 1848, als es Werner v. Siemens und Johann Georg Halske mittels einer speziellen Guttapercha-Presse erstmals gelingt, das Harz nahtlos und dicht um das Kabel zu pressen.
Die nun beginnenden Erdverlegungen der Kabel verliefen jedoch schleppend und wurden mit zahlreichen Problemen konfrontiert. So wurden die Strecken regelmäßig durch Tierverbiss unterbrochen und reines Guttapercha gab es aufgrund der sprunghaft gestiegenen Nachfrage kaum noch. Als sich die Rohstoffsituation entspannte und Siemens 1879 die Bleipresse zur nahtlosen Ummantelung der Kabel erfand, konnte 1881 das „Reichstelegraphen-Untergrundnetz“ in Deutschland seinen Betrieb aufnehmen. Es hatte eine Länge von 5460km und verband 221 deutsche Städte. Die Erfindung der Guttapercha-Presse hat jedoch auch eine weitere Entwicklung angestoßen.
|
|
Hystorische Guttaperchakabel |
Nachdem viele Staaten schon Nachrichten auf dem Landweg miteinander austauschen konnten, war es mittels der wasserdichten und salzwasserbeständigen Guttaperchaisolierung möglich, Unterseekabel zur Verbindung der Kontinente zu verlegen.
Erstes Kabel im Ärmelkanal
Das erste wirklich funktionstüchtige Unterseetelegraphenkabel verband England mit Frankreich und wurde im November 1851 der Öffentlichkeit übergeben. Es wurde vom englischen Eisenbahningenieur Thomas Crampton konstruiert und mit 15.000 Pfund selbst finanziert. Schon ein Jahr zuvor konnte genau ein Telegramm über den Ärmelkanal übermittelt werden, doch danach war die Verbindung auf wundersame Weise unterbrochen. Die Legende besagt, dass ein französischer Fischer das Kabel fälschlicherweise für goldschimmernden Seetang hielt, sich ein Stück abschnitt und als Trophäe mit nach Hause nahm. In Amerika hatte man sich Mitte des Jahrhunderts Gedanken über eine transatlantische Telegraphenverbindung Gedanken gemacht. Man versprach sich gewaltige Gewinnchancen durch den raschen Informationsaustausch mit den Börsenplätzen und Rohstoffmärkten Europas.
Der geistige Vater des ersten Transatlantikkabels war Cyrus W. Field, ein New Yorker Papierfabrikant. Er gründete 1854 ein Unternehmen, das ein Kabel auf dem so genannten „Telegraphic Plateau“ - eine Tiefseeebene zwischen Irland und Neufundland - verlegen sollte. Dieses gleichmäßig sandig und ohne schroffe Felsen verlaufende Plateau hatte ein Jahr zuvor der amerikanische Marineleutnant Matthew F. Maury entdeckt. Neben Maury konnte Cyrus W. Field Wissenschaftler wie Morse, Faraday und Kelvin sowie die amerikanische und englische Regierung für sein Projekt gewinnen. Bei der englischen Kabelfirma "Glass Elliot" aus Greenwich bestellt Field 1857 ein 4.000 km langes Kupferkabel.
Kabelverlegung auf hoher See |
Es bestand aus einem elektrisch leitenden Strang von sechs Kupferdrähten, die mit einem siebten verseilt waren. Darüber lagen drei getrennte Schichten Guttapercha als Isolierung und Mantel, um welchen wiederum achtzehn Eisenstränge gewickelt waren. Mit einem Gewicht von 2.500 Tonnen war das Kabel allerdings so schwer, dass die Tragkraft der größten Frachtschiffe nicht ausreichte. Mit Hilfe der beiden größten Schiffe der britischen und amerikanischen Kriegsmarine begann die Verlegung. Das Kabel spulte sich allerdings so schnell ab, dass es beim abrupten Abbremsen riss und verloren ging. Das Ansehen der Firma Siemens stieg daraufhin europaweit an, nachdem diese eine Theorie zur Berechnung der notwendigen Bremskraft auf eine Kabeltrommel entwickelt hatte.
Erfolgreiche Verlegung
Die transatlantische Verlegung war erst im 5. Versuch erfolgreich, nachdem in der Mitte des Atlantischen Ozeans die stärker armierten Kabel miteinander verbunden wurden und die beiden Schiffe in entgegengesetzter Richtung davon fuhren. Während der Fahrt reißt das Kabel mehrmals und musste auf hoher See aufwändig repariert werden. Am 7. August 1858 war das Kabel nach sechswöchiger Knochenarbeit endlich komplett verlegt. Aber die Freude währt nicht lange. Bei der offiziellen Einweihung des Transatlantikkabels gab es bereits Schwierigkeiten. Die Überlieferung der Grußbotschaft der englischen Königin an den amerikanischen Präsidenten dauert 16 Stunden, obwohl die Nachricht nur ca. 100 Wörter umfasste. Im September 1858 bricht dann das Kabel, wobei in den 4 Betriebswochen etwa 400 Nachrichten übertragen wurden.
Gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs bestellte Fields Gesellschaft 1864 erneut ein 5100 km langes und leistungsfähigeres Seekabel. Als Verlegungsschiff wurde die "Great Eastern" verpflichtet, der damals weltweit größte Liniendampfer, der die 7.000 Tonnen Kabelgewicht alleine transportieren konnte. Für Field war dies die letzte Chance, da er sein gesamtes Vermögen verpfändet hatte. Die Expedition startete 1865, wobei bei Reparaturarbeiten auf See das Kabel in 3.000 Meter Tiefe glitt und nicht mehr geborgen werden konnte. Im Jahr darauf gelang es jedoch ein neues Kabel zu verlegen und das ein Jahr zuvor verlorengegangene Kabel zu finden und dessen Verlegung zu beenden.
|
|
Aufbau des transatlantischen Kabels, verlegt im Jahr 1858 |
So war eine Parallelverbindung zwischen Europa und Kanada entstanden, auf der 3 Worte in der Minute übertragen werden konnten. Informationen benötigten nun nicht mehr Tage über den Atlantik, sondern nur noch Minuten.
Weitere Herausforderungen
Der Abschluss dieses für die damalige Zeit gigantischen Projektes führte zu immer größeren Herausforderungen. So begann Siemens 1867 mit der Verlegung eines 11.000 Kilometer langen Kabels von London nach Kalkutta. Viele der in den Folgejahrzehnten verlegten transatlantischen Kabel waren bis in die 50er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts im Dienst. Ein Atlantikseebeben von 1929 zerstörte achtzehn Transatlantikkabel. Neben solchen Naturkatastrophen sind die Kabel Strömungen und wandernden Sandbänken ausgesetzt, die es durchscheuern und zum Reißen bringen können. Auch Muscheln, Würmer, und größere Fische können das Kabel irreparabel beschädigen. So können sich bei fehlerhafter Armierung Teredon-Würmer auf der Suche nach Nahrung in die damalige Guttaperchaumhüllung bohren und dadurch die Isolation zerstören. Der größte Feind der Tiefseekabel aber ist der Mensch. Schiffsanker und Schleppnetze von Fischern zerstören Kabel ebenso fahrlässig wie militärische Gegner. Heute werden die Kabel so gut es geht in den Meeresboden eingegraben und kräftig ummantelt. Mit der Erfindung des Telefons 1876 verlor die Telegrafie ihre Bedeutung. Doch bis heute werden neben der Satellitenübertragung Glasfaserkabel durch die Meere verlegt, vor allem für den Internetverkehr. Modernste Kabel sind schneller, haben eine größere Kapazität und halten länger als Satelliten. Ihre weltweite Gesamtlänge beträgt mehr als 300.000 Kilometer.